Sehr geehrter Herr Schinzel,
nun ist es doch schon knapp zwei Monate her, das Sam bei uns ein neues Zuhause gefunden hat, und damit an der Zeit für den versprochenen Bericht.
Er war bereits ein wunderbarer Hund, als wir ihn zuerst sahen, nun entwickelt er sich zu einem richtigen Schatz, den wir - obwohl er unsere Idylle hier so ziemlich umkrempelt, auf keinen Fall mehr missen wollen. Er ist einfach nur toll! Klar, er ist kein Bernhardiner, er ist noch jung und verspielt, auch rauft er gerne,
um seine Kräfte zu erproben und ist dabei manchmal etwas zu rau und kneift - meine Karriere als Konzertpianist habe ich erst einmal auf Eis legen müssen, aber
er meint es niemals böse. Er weis einfach noch nicht, wie stark er wirklich ist. Ein Hund für Frauen ist er definitiv nicht!! Obwohl: Er ist ein Charmeur. Ist er der Meinung, etwas falsch gemacht zu haben weil ich mit ihm schimpfe, steckt er mir mit treuem Augenaufschlag den Kopf zwischen die Beine oder setzt sich, schaut mich treuherzig an und gibt Pfötchen. Er hat ja gaaar nichts gemacht. Er ist doch der liebste Hund. 'Mich, mich können Sie ja wohl nicht meinen! Mich nicht! Ich bin doch sooo lieb!' Im Moment sitzt er wieder neben mir, stubst mich an und möchte Streicheleinheiten, was er nämlich auch über alles liebt. Er ist sehr verschmust und hat da wohl noch extremes Nachholbedürfnis, weil er bislang scheints nur wenig Liebe erhalten hat, was ich natürlich gerne aufarbeite.
Mittlerweile wiegt er gut 60 KG und hat, wie Sie auf den Bildern vielleicht erkennen können, bis auf 1-2 cm Laras Größe erreicht. Wohl, weil er wie ein Scheunen-drescher frisst und zur Not auch mal mit 'Selbsthilfe' sein Quantum bei Lara oder mir zu erhöhen sucht, obwohl er als junger Hund mit entsprechendem Hunger wirklich reichlich erhält. Mit anderen Worten: Er stiehlt wie ein Rabe. Russenmafia nennen wir es. Dazu ist er eine Naschkatze. Eine komplette Schweinepfote vom 'Fressnapf' hält incl. Knochen vielleicht eine halbe Stunde, und dann versucht er, an die von Lara zu kommen. Ärger schon vorprogrammiert!!
Auch hat er eine Vorliebe für Papier. Dreimal hat er je eine halbe Rolle Toilettenpapier zerlegt und zum Teil gefressen, was ich ihm noch abgewöhnen muss.
Im Garten, den er mittlerweile sehr gut bewacht, tobt er mit Lara herum, das einem vom Zusehen schwindelig wird. Ein beliebtes Spiel ist, an einem Lederball
zu zerren, so das die beiden abends - weil etwa gleichstark - ziemlich geschafft sind.
A propos Lara: Es gab natürlich einige Rangordungskämpfe, bei denen auch mal das Fell punktiert wurde - vom Tierarzt bekam ich für solche Fälle eine sehr gute Salbe -, denn Lara hat sich von dem jungen Rüpel natürlich nichts gefallen lassen (s. Schweinepfote!). Madame geht auch wie eine Furie dazwischen, wenn er ihrer Meinung nach mit ihr oder mir zu rau wird. Zweimal hat sie ihm derartig die Leviten gelesen, das er in meine Duschzelle geflüchtet ist. - Ich habe meine doch eher ruhige und bedächtige Lara noch nie so wütend gesehen. Nun weis ich aber auch, das sie mich im Ernstfall bis aufs Letzte verteidigen würde, was ich gleichfalls nie gedacht hätte. Anders gesagt: Lara ist Boss! Dazu verteidigt sie auch 'ihren' Kater. Sie geht kompromisslos dazwischen, wenn Sam 'Wölkchen' zu nahe kommt.
Was die Beziehung zwischen den Beiden betrifft, so kann man sagen, das es sehr langsam aber merklich besser wird. Ich traue Sam natürlich noch nicht und stehe zwischen ihnen, aber wenigstens geht er nicht sofort auf den armen Kerl drauf. Wenn Wölkchen auf seinem Katzenbaum liegt, sitzt er immer treu drunter, schaut versonnen zu ihm hoch und ich denke immer, er betet wohl zum großen Hund im Himmel, das er ihn herunterfallen lassen möge, denn so ein Fellburger zu Weihnacht, das wäre doch etwas! (Im Moment zerren Sam und Lara wieder an ihrem Ball, den er mir nun stolz als Beute präsentiert. Ich soll wohl nicht so blöde Sachen an dem komischen Gerät machen, sondern lieber mit ihm um den Ball raufen.)
Das ich ihm zweimal etwas fortzunehmen versuchte, hat er mir freundlicherweise verziehen. Ich habe ihm aber auch versprochen, es nie wieder zu tun.
Mit meiner Mutter und Sam steht immer noch alles zum besten, wenngleich er nicht versteht, das sie so gar nicht mit ihm raufen möchte, obwohl er sie immer wieder zum Spielen auffordert, was am Anfang zu Missverständnissen führte ('Junge, was ist?, Sam knurrt mich an'). Nun versteht sie jedoch, wie er es meint und Sam hat verstanden, das die nette alte Dame, die immer so freundlich Leckerchen verteilt, nicht spielen möchte. Jetzt macht er es anders und legt sich in den Spiel-pausen mit Lara, wenn wir auf der Terrasse sitzen, zu Mutter vor die, besser gesagt auf die Füße, und lässt sich kraulen. 'Ist ja auch besser als gar nichts, und wenn sie schon sooo lieb ist...'. So sind dann alle zufrieden.
Ansonsten konnte ich feststellen, das Sam hochintelligent ist. Nicht nur, weil er sehr genau weis, wie er mich treuherzig-charmant beschwichtigen kann, wenn er etwas falsch gemacht hat oder weil er so clever-beiläufig stiehlt, nein, für meine Begriffe kann er - zumindest in Ansätzen - abstrakt denken. So haben wir, wie Sie sich vielleicht noch erinnern, auf unserem Grundstück einen kleinen Apfelbaum stehen, dessen Zweige bis auf den Boden reichen. Für meine Mutter habe ich etliche davon gepflückt und Sam, weil ich noch von meinem verstorbenen Bernhardinerrüden weis, das Äpfel bei Hunden durchaus beliebt sein können, einen gegeben.
Der hat ihm geschmeckt, und er sah mir dann eine ganze Weile beim Pflücken zu, und auf einmal, ich traute meinen Augen kaum, ging er zum Bäumchen, nahm einen der dort hängenden Äpfel in die Schnauze, zog ihn ab und ließ ihn sich schmecken. Das machte er noch ein paar mal, so das es kein Zufall war. Nun geht er, wann immer er im Garten ist und meint, einen Vitaminstoß zu benötigen, zum Baum und pflückt sich seine Äpfel selbst.
Eine weitere Gelegenheit, bei denen er sein Köpfchen offenbarte, war die Bettgeschichte. Eine Woche bekam ich nachts kaum Schlaf, weil Sam vor meinem Bett saß und mir mit allen ihm zu Gebote stehenden Mittel von Jammern über Schmeicheln bis zu eher rüden Aufforderungen, nun mal endlich 'Ja' zu sagen zu verstehen gab, er wolle da rein. Nun, ich hielt mein 'Nein', weil ich die beiden absolut gleich halte, schon wegen Lara, die mit Bett nichts zu tun hat, eine Woche fast ohne Schlaf aus. Wenn es mir zu bunt wurde, habe ich ihm ein Leckerchen in die Diele gelegt, und wenn er es sich holte, die Türe zu gemacht. Genau drei Mal hat das geklappt!! Das er mir nicht einen Vogel zeigte, wenn ich ihm danach wieder mal einen Kaustick in den Flur legte, war alles. Wie eine Statue blieb er vor dem Bett sitzen, schaute zwar sehnsuchtsvoll auf die Verlockung, lies sich aber durch nichts bewegen, seinen Platz zu verlassen. Selbst eine Frikadelle hat versagt!! Er weis scheints ganz genau, wenn er ausgetrickst werden soll. Dasselbe passiert, wenn ich ohne ihn das Haus verlassen möchte. Er bleibt stur vor der Haustür sitzen und will mit. Leckerchen?? Den Trick kennt er!!!
Um nun die Bettgeschichte zu Ende zu bringen: Aus purer Verzweiflung habe ich dann kapituliert und mir als Entschuldigung eingeredet, schlecht könne es ja nicht sein, weil es Sam's Bindung an mich nur stärken könne. Nun, er hat sich selig an mich gekuschelt, mich beschmust, mir auf alle möglichen Arten seine Dankbarkeit gezeigt - und nach knapp einer Stunde war er wieder weg. Zu warm, zu weich, und nur was für Warmduscher. Interessanterweise hat sich meine Lara das ganze Spiel sehr ruhig angesehen, als hätte sie das Ergebnis schon vorher gewusst, so das ich wegen ihr kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte. Eindeutig besagte ihre zur Schau gestellte Mimik: 'Hab ich mir doch gleich gedacht!' Jetzt ist es so, das Sam morgens und abends knapp eine dreiviertel Stunde Schmusen kommt, und sich danach vor mein Bett auf die Fliesen legt oder es sich in der Dusche bequem macht. (Interessanterweise hat er an beiden Stellen fast ungehinderten Blick auf alle Türen. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt!)
So, das waren die Neuigkeiten von Sam. Noch einmal: Er ist ganz anders als alle meine bisherigen Hunde, aber so wie er ist einfach ein Schatz und ich bin Ihnen sehr dankbar, das Sie mir Sam anvertraut haben. Ich könnte - und wollte - ihn schon nicht mehr missen. Er ist nur toll! Anstrengend, aber toll!!!
Sollte ich einmal mit Sam in Köln sein und es meine Zeit erlaubt, werden wir Sie besuchen, falls Sie im Heim sind. Bis dahin, und noch einmal meinem herzlichen Dank für Sam verleibe ich mit den besten Grüßen aus St. Goar
Ihr D. U. (plus Lara, Wölkchen und dem russischen Rüpel)